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Schnee - und Skivergnügen in Österreich

Im Jet-Zeitalter werden die Urlaubsziele immer unberechenbarer. Meine Mutter fährt im Januar nach Teneriffa, meine Cousine gibt im Sommer in Australien Ski-Kurse. Da falle ich ganz aus dem Rahmen, wenn ich im Winter mache, was der Kalender ansagt: Schneeurlaub in Österreich. Der Trend zum Zweiturlaub sorgt aber auch hierbei schon für horrende Skipassgebühren, überfüllte Gletschergondeln und stressige Schönheitskonkurrenz in der Apres-Ski-Bar. Gut, dass es inmitten dieser neonfarbenen Glitzerwelt  noch beschauliche - und preisgünstige - Oasen gibt, z.B. das Kühtai in der Nähe von Innsbruck.

Einige Kilometer unterhalb des eigentlichen Skigebietes findet sich auch für mehrköpfige Gruppen Unterkunft in den Pensionen der halb verschlafenen Dörfer. Bei der Anfahrt ist die erste Hürde zu erklimmen, auf den letzten Metern der vereisten Straße versagt der betagte Golf trotz Frontantrieb und mehrfachen Anläufen, da bleibt nur das Abstellen am Dorfplatz und Umladen in den Wagen vorausschauenderer Mitfahrer, die gleich Schneeketten montiert hatten. 

Am nächsten Morgen ruft der Berg. Wer sich auf ein opulentes Schlemmerfrühstück zum Tagesstart einstellt, hat sich bei unserer Wirtin Erna, einem echten Original, allerdings verschätzt: Nachdem eines Tages ein Gast den Fauxpas beging, sein halbflüssiges Frühstücksei nicht dezent im Blumenkübel zu entleeren, sondern demonstrativ zurückgehen ließ (sorry Uwe, jetzt bist du sogar im Internet verewigt),  gab's im nächsten Jahr dann nur noch Marmelade. Dafür zergeht die selbstgemachte Butter auf der Zunge. Aber Sport mit vollem Magen soll ja sowieso ungesund sein, und im Naturkühlschrank draußen auf der Fensterbank lässt sich Käse und Wurst auch selbst verwalten.

Mit dem als Skibus eingesetzten Postbus (in Skipass oder Tageskarte inbegriffen) geht's dann rauf zu den Pisten, die verheißungsvoll im Sonnenlicht glitzern. Die ersten Alpträume des Anfängers im Schlepplift wie Abgänge auf halber Höhe unter Mitnahme von  mindestens 2 unschuldigen Nachfolgenden habe ich zum Glück schon im Sauerland hinter mir gelassen, aber so ein leichter Anfängerhügel zur Einstimmung deckt meine Bedürfnisse des ersten Tages vollkommen. Die alten Skihasen unter uns stürmen natürlich gleich mit dem Sessellift die anspruchsvolleren Hänge.

Mittags zur Jause trifft man sich auf den sonnenbeschienenen Terrassen, um Kräfte für den Nachmittag zu tanken oder nach einer schwerliegenden Dampfnudel, eingelullt von der wärmenden Sonne, in den Mittagsschlaf abzutauchen. Nach einjähriger Abstinenz tut es auch gut, den einengenden Zwängen der schweren Skischuhe zu entkommen. Gegen Muskelkater lässt sich zwar bei den fetzigen Klängen der Skigymnastik schon zuhause vorbeugen, aber dieses ungewohnt schwere Schuhwerk kommt mir anfangs jedes Mal wieder wie Zwangsjacken für die Füße vor.

Zurück bei Erna warten die heiße Dusche und der Aufenthaltsraum mit der Sitzbank um den gekachelten Kamin, der von der anderen Seite der Wand beheizt wird und so schön den Rücken wärmt. Da fällt es fast schwer, sich aufzuraffen und durch die inzwischen eisige Kälte ins Dorf hinunterzustapfen, aber hier warten weitere Genüsse. Hausmannskost wie Käsknöpfle, Bauernpfanne, Kaiserschmarren, in gusseisernen Pfannen serviert, da lacht nicht nur der Magen, sondern auch der Geldbeutel, aber nicht unbedingt die Figur.

Doch dafür gibt's sofort Abhilfe beim allabendlichen Rodelvergnügen. Schlitten kann man gleich beim Gasthaus leihen, und dann geht's 20 Minuten stramm aufwärts auf dem zur Rodelbahn umfunktionierten Waldweg, gelegentlich beiseite gescheucht vom Gejohle entgegenkommender Kamikazefahrer. Ein nicht von jedermann empfundener Reiz ist inzwischen entfallen: Mittlerweile ist die Bahn beleuchtet, man muss sie nicht mehr im Mondlicht erahnen. Oben in der Hütte lockt erst mal ein Jagatee, Farbton und damit Mischungsverhältnis von Tee und Alkohol variieren hier jeden Tag aus Neue. Derart ermutigt steht der rasanten Abfahrt nichts mehr entgegen, doch ich verkrümele mich lieber auf einem Doppelschlitten nach hinten.

>Unvergesslich bleibt das Rodelrennen bei Fackellicht auf der damals noch unbeleuchteten Bahn. Der Doppelschlitten erwies sich hierbei als Glücksgriff, bei nur 7 Startern ist die Aussicht auf einen der 5 Pokale nicht schlecht, die Einzelfahrer haben da einen schwereren Stand. Nachdem sich das Gerücht durchgesetzt hat, hinten könne man besser lenken, ist es aus mit meiner beschaulichen Beifahrerruhe, und ich finde mich als Prellbock vorne auf dem Schlitten platziert wieder. Die Beleuchtung ist schon stark dezimiert, wir zerlegen gleich eine weitere brennende Fackel durch einen gezielten Schlenker haarscharf entlang der Böschung und erringen sogar den vierten Platz und damit einen umwerfend hässlichen Pokal. Immerhin, wasserdicht ist er und somit als kreisender Sektpokal bei der anschließenden Fete zu gebrauchen. Der zunächst beneidete Meter Wurst für den letzten Platz erweist sich beim angebotenen Probebiss auch als Trostpreis im wahrsten Sinne des Wortes. Für die Einheimischen gibt's übrigens ein eigenes Rennen, sonst könnten sich die Touristen nämlich gleich um besagte Wurst streiten.

Tagsüber steht jetzt die Erkundung der längeren und steileren Abfahrten an oder zur Abwechslung ein Ritt auf den geliehenen Skibobs, wenn man es geschafft hat, diese im Sessellift nach oben zu befördern. Gelegentlich fegt auch ein Snowboard-Fahrer mit gekonnten Hüftschwüngen über den Hang. Zwei Abtrünnige wollen sich heute beim Skilanglauf entspannen und kehren abends eines besseren belehrt zurück: was beim Dahingleiten der Läufer in den Loipen so easy aussah, entpuppte sich nach einigen Stunden als Knochenarbeit. Da ist ein Spaziergang um den vereisten See mit Ernas Hund Susi sicherlich erholsamer. Susis Freund, der Nachbarhund, ist übrigens auch Langlauf-Fan: Jeder vorbeigleitende Sportsfreund wird freudig angefallen. In den umliegenden Bergketten gibt es viele Möglichkeiten zu Tagestouren, allerdings nicht ganz ungefährlich, wie man uns erzählt. Jeder Winter fordert Lawinenopfer, die die Wetterwarnungen ignoriert haben.

Zur Abwechslung ist am folgenden Nachmittag Sightseeing angesagt, in knapp einer Stunde schafft man es bis Innsbruck. Das Goldene Dachl hatte ich mir eher leuchtend wie die Kuppel einer Moschee vorgestellt, statt dessen hätte ich das in der Stadt eingeklemmte Haus mit dem leicht patina-angesetzten Dach fast übersehen. Das Gerüst davor trägt auch nicht zur Verbesserung der Optik bei. Da ist die Skischanze schon imposanter, ein Blick von oben hinunter ruft Erinnerungen an meinen ersten und einzigen Sprung vom Fünfmeter-Brett zurück: Hinuntersehen und einen unwiderstehlicher Drang zur Umkehr. Zum Glück gibt es hier keinen Sportlehrer, der mir den Rückweg abschneidet. Einen Eindruck der gebotenen Kultur holen wir uns nur von den Plakaten der angekündigten Konzerte und Theateraufführungen. Sicherlich auch reizvoll, aber für die Highlights empfiehlt sich doch eine Reservierung im voraus.

Statt vor Aufregung auf den Theaterrängen schwitzen wir also lieber in der heimischen Sauna, die statt der gewohnten Abkühlung im kalten Wasserbecken das authentische finnische Herumspringen in Schnee und Eis an der Hintertür bietet. Zum Glück fahren an der nahegelegenen Straße abends nur wenige Autos vorbei, sonst würden die Saunagänger die Unfallquote hier wohl beträchtlich erhöhen. Die eingebüßte Flüssigkeitsmenge lässt sich anschließend im Schankraum mit Hilfe eines Jagatees ausgleichen. Entweder sind die Abwehrkräfte gegen den Alkohol in der Sauna mitverdampft, oder der Wirt meint es hier besonders gut, denn die Fußspuren auf dem Heimweg fallen nicht mehr so ganz geradlinig aus.

Zwei Tage später überqueren wir den Pass in die andere Richtung, nach Sölden im Ötztal, um den Duft der großen weiten Skiwelt zu schnuppern. Aber außer langer Parkplatzsuche, überlaufenen Straßen, Souvenirkitsch und teuren Skiausrüstungen und einem Besuch in einem zugegebenermaßen ganz netten Wintergarten eines Cafes hat uns der Ort nicht viel zu bieten. Also werden wir wohl auch beim nächsten Mal zu Erna und ihrem Marmeladen-Frühstück zurückkehren. Schließlich steht dort auch immer noch unser Rodelpokal, den ich mir beim besten Willen nicht zwischen japanischem Teeservice und Großmutters Bowlen-Set in meiner Glasvitrine vorstellen konnte.

 

Copyright (c) 2005 Karin Berger Alle Rechte vorbehalten.

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